Das Massaker am Erfurter Gutenberg-Gymnasium liegt inzwischen zwei Jahre zurück. Der von der Schule verwiesene Amokschütze Robert Steinhäuser erschoss damals, am 26. April 2002, 16 Menschen, bevor er sich schließlich selbst tötete. Es war ein Amoklauf "nach amerikanischem Vorbild", den in Deutschland keiner für möglich halten wollte. Die Tat hätte sich in jeder deutschen Stadt ereignen können. Dass es in Erfurt geschah, ist für die Angehörigen der Opfer und des Täters eine grausame Tragödie. Die beiden Dokumentarfilmer verzichteten bewusst auf zusätzliche filmische Mittel, wie etwa Musik. "Keinerlei Effekte, kein ästhetischer Schnickschnack, keine Pseudo-Emotionalisierung", schrieben sie im Februar diesen Jahres. "Die geführten Gespräche erschienen uns in ihrer Aussagekraft und Emotionalität dicht genug, um sie allein für sich, ohne jegliche Kommentierung durch uns, und möglichst unaufdringlich montiert sprechen zu lassen." Den Filmemachern Schnadt und Beulich ist im Ganzen ein Film gelungen, der zahlreiche Hinweise auf die gesellschaftlichen Ursachen der Tat von Robert Steinhäuser liefert. Der Film lässt Lehrer, Mitschüler, Angehörige der Opfer und auch zum ersten Mal die Eltern und den Bruder von Robert Steinhäuser sprechen. Die Eltern und der Bruder blieben aus Rücksichtnahme visuell und akustisch anonym. Ihre Aussagen wurden von Schauspielern nachgesprochen. Der Film zeigte währenddessen Bilder und langsame Kamerafahrten und -schwenks, die zum Thema passen, aber so unaufdringlich blieben, dass der Zuschauer vor allem zuhört. Der Film macht deutlich, dass die Behauptung von Politik, Medien und Teilen der Wissenschaft, Robert Steinhäusers Tat sei einmalig und nicht zu erklären, eine Schutzbehauptung ist, um für sie unangenehme politische und gesellschaftliche Fragen zu umgehen. Die Tat des Robert Steinhäuser hat der Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten; einer Gesellschaft, die der Jugend ein so großes Maß an Verzweiflung, Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit zumutet, dass viele daran scheitern. Robert Steinhäuser war kein Außenseiter oder Sonderling. Im Gegenteil, es ist auffällig, wie normal sein Leben bis zu seiner schrecklichen Tat verlief. Er war ein Schüler mit Problemen, wie sie viele junge Menschen in diesem Alter haben, hatte Lehrer wie die meisten Gymnasiasten und auch Eltern, wie sie viele andere seiner Altersgenossen vor allem im Osten Deutschlands haben. Gerade die Ausführungen der Eltern zeigen, dass die deutsche Wiedervereinigung und die mit ihr einhergehenden Veränderungen in Ostdeutschland eine wichtige Ursache sind für die Umstände, die Robert Steinhäuser zu seiner schrecklichen Tat veranlassten. Diesen Aspekt beleuchtet übrigens auch Ines Geipel in ihrem viel diskutierten und durchaus lesenswerten Buch Für heute reicht's. Der Film legt die Ratlosigkeit der Eltern offen, ihre verzweifelte Suche nach Anzeichen, die sie nicht wahrgenommen hatten, ihre Selbstvorwürfe, sich nicht genügend um ihren Sohn gekümmert zu haben. Die Tat war für die Familie mindestens genauso überraschend wie für alle, die Robert kannten.

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