Unter der Kurpfalzbrücke in Mannheim, morgens um 10 Uhr. Sid und seine Freundin Error wohnen und schlafen hier. Vor fast einem Jahr sind beide von Zuhause abgehauen. Sid ist 18, seine Freundin Error gerade erst 16. Eine Ratte, eine Decke, und gerade mal das, was sie am Körper tragen - mehr haben sie nicht. Seit Monaten leben sie von der Hand in den Mund, das Loch im Bauch ist meist ihr größtes Problem. Erste Station für Error und Sid jeden Vormittag ist ein Billigdiscounter in der Innenstadt. Mit ihrem geschnorrten Geld reicht es meist gerade mal für eine Flasche Rotwein, gestreckt mit Cola. Frühstück fällt wieder einmal aus - richtiges Essen gibt es erst einige Stunden später, wenn endlich die Küche von 'Freezone' aufmacht. 'Freezone' in der Mannheimer Innenstadt ist eine Art rechtsfreier Raum. Hier gibt es nicht nur Essen und Trinken für Straßenkinder, sondern auch Waschmöglichkeiten, Infos und Beratungsgespräche - Polizei und Behörden haben keinen Zutritt. Für viele hier eine Rückzugsmöglichkeit, immerhin für einen Teil des Tages. Mittags um zwei schlafen Sid und Error tief und fest umschlungen auf dem Freezone-Sofa. Der Lärm der anderen beim Kickerspielen, das Klappern von Töpfen und Pfannen beim Abspülen nach dem Mittagessen, die Punkmusik, nichts stört sie. Die Nacht haben sie durchgefeiert, haben gelacht, gequatscht und getrunken, was da war. Zusammengemischtes Zeug wie 'Mäusepisse', bestehend aus Milch, Vanillezucker und Korn. Error heißt eigentlich Sophie, hieß Sophie, bevor sie mit 13 aus der elterlichen Doppelhaushälfte einer Kleinstadt ausbrach. 'Ich hatte dauernd Stress mit meinem Vater. Er hat versucht, mich in seine Richtlinien reinzupressen und dann hatte ich irgendwann die Schnauze voll.' Es folgten Heimaufenthalte, Ausbrüche, Pflegeeltern ... und seit einem halben Jahr die Straße ... und Sid. 'Wir sind immer die letzten, die noch stehen, es passt halt irgendwie, aber ein Paar oder so 'ne Scheiße sind wir nicht', erzählt sie ... und gibt ihm die Hälfte von den 150 Euro, die ihr ihre Mutter geschickt hat, damit er seine Schwarzfahr-Bußgelder abstottern kann. Sophies Eltern sitzen auf dem Sofa, in ihrer Mitte der Familienhund, Kinderfotos von ihr auf dem Couchtisch. Gefasst sind sie, ratlos, traurig. Der Vater holt sein Lieblingsbild von ihr aus dem Stapel, da war sie neun. 'Sie hatte so ein schönes Gesicht, bevor sie sich hässlich gemacht hat.' Und damit meint er die abrasierten Haare, die grellbunt gefärbte Irokesentolle und die vielen Piercings, als aus Sophie Error wurde. Neulich musste er beruflich mal in Mannheim umsteigen. Da ist er sie suchen gegangen, sah sie gleich auf dem Bahnhofsvorplatz, hat sich versteckt und sie dann fotografiert in diesem neuen Leben ... Aber dann ist er weitergefahren. 'Straßenkinder' ist eine Reportage auf den Straßen Mannheims. Der Filmemacher Detlev Koßmann hat mit seiner Kamera die 'Straßenkinder' Sid und Error wochenlang begleitet und interviewt - hat versucht, ihre Spuren zurückzuverfolgen, mit Eltern zu sprechen. In seiner Reportage dringt er immer tiefer dort ein, wo das Zuhause kaputtgegangen ist.

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